Stammesherzogtum und Territorialherrschaft
Abbildung b.1 und b.2

Abkürzungen: ~600 um 600, a. d. an der, Abd. Abdankung, Abh. Abhängigkeit, -b˘g. -burg, Bf. Bischof, -bg. -berg, Bgf. Burggraf, Bm. Bistum, d. Ä. d. Ältere, d. Ju. d. Junge, d. Jü. d. Jüngere, dt. deutsch, Ebf. Erzbischof, Ebm. Erzbistum, Ehz. Erzherzog, Fsm. Fürstentum, Fst. Fürst, Gf. Graf, Gfn. Gräfin, Gft. Grafschaft, Ghz. Großherzog, Ghzn. Großherzogin, Hz. Herzog, hzgl. herzöglich, Hzm. Herzogtum, Kf. Kurfürst, Kfm. Kurfürstentum, Kg. König, kgl. königlich, Kgn. Königin, Kgr. Königreich, Ks. Kaiser, Kurw. Kurwürde, Lgf. Landgraf, Mgf. Markgraf, Mgft. Markgrafschaft, n. 992 nach 992, Nied. Nieder-, Ob. Ober-, P.U./PU Personalunion, Pfg. Pfalzgraf, Pr./Prz. Prinz, Prät. Prätendent, Przr. Prinzregent, Reg. Regent(in), Sign. Signore, Sn. Seigneur, Statth./Sth. Statthalter, Thronf. Thronfolger, Unt. Unter-, v. 1045 vor 1045, v. Tirol von Tirol (v. wird dabei oft weggelassen, Bsp.: Gf. Hoya Gf. v. Hoya)
Beschreibung
Das römisch-deutsche Reich bestand aus den Königreichen Deutschland, Italien und Burgund. Ursprünglich umfaßte das deutsche Königreich die Stammesherzogtümer Lotharingien, (Main-)Franken, Schwaben, Thüringen, Bayern und Sachsen. Im hohen Mittelalter kamen hinzu die bayrischen Marken, Böhmen und die sächsischen Marken, später Pommern und Schlesien.
Die Adelsgeschlechter, die in der Epoche der früh- und hochmittelalterlichen Stammesherzogtümer den Ton angegeben hatten, kann man als alte Dynastien bezeichnen. Dagegen repräsentierten die neuen Dynastien eher die Epoche der spätmittelalterlich-neuzeitlichen Territorialherrschaften.
Es gab zu Beginn der Neuzeit, um 1450, unzählige solcher Territorialdynastien in den Grenzen des Reiches. Andrerseits unterschieden sich die neuen Dynastien mittlerweile erheblich stärker voneinander, als das bei den alten der Fall gewesen war. Relativ wenige Familien zeichneten sich um 1450 durch politische Bedeutung aus. So findet man als Inhaber der 20 großen Gebiete des Reichs, wenn man sich auf dessen deutschen Teil beschränkt, 18 Familien.
Diese Gebiete können in vier Bereiche eingeteilt werden:
- am westlichen Rand regierten die Oranier (= Nassauer) in den Niederlanden seit 1572, die Matfriedinger (= Lothringer) in Lothringen;
- im Bereich der alten Bundesrepublik die Schaumburger und Oldenburger in Holstein und Schleswig seit 1448 bzw. 1110, die Welfen in Niedersachsen seit 1235, die Mark-Altena in Nordrhein-Westfalen, die Brabanter in Hessen seit 1265, die Wittelsbacher in Bayern seit 1180 und in Rheinland-Pfalz seit 1214, die Württemberger in Württemberg, die Zähringer in Baden;
- im Bereich der neuen Bundesländer die Nakoniden (= Mecklenburger) in Mecklenburg, die Hohenzollern in Brandenburg seit 1415, die Askanier in Anhalt seit 1180, die Wettiner in Thüringen und in Sachsen;
- am östlichen Rand die Greifen (= Pommern) in Pommern, die Piasten in Schlesien seit 1138, die Luxemburger (= Limburg-Arlon) in Böhmen seit 1310, die Habsburger in Österreich seit 1282.
Jede dieser Territorialdynastien hatte ihre besondere Geschichte. Doch läßt sich ein Typ erkennen: Die typische Territorialdynastie wurzelt im hohen Mittelalter, bildet im späten Mittelalter markante Seitenlinien aus, deren politischer Rang sich infolge der Reformation charakteristisch verändert, gelangt in der Neuzeit zu einer internationalen Karriere, durchläuft den Bruch von 1803 und endet 1918.
Ausgestorben sind freilich die Luxemburger bereits 1437, die Mark-Altena 1609, die Pommern 1637, die Schaumburger 1640, die Nassauer 1912; ferner setzten nach dem Aussterben der Habsburger 1740 deren Haus die Lothringer fort, desgleichen folgte nach dem Aussterben der bayrischen Wttelsbacher 1777 eine pfälzische Seitenlinie (siehe b.1).
Doch auch in anderer Hinsicht weichen einige der Familien vom Typ ab. Am besten unterscheidet man drei Kategorien:
- Zu den regional beschränkten Familien zählten die Schaumburger, Mecklenburger, Pommern, Piasten, Mark-Altena, Zähringer und Württemberger: Sie hatten, abgesehen von den Schaumburgern, die von der mittleren Weser stammten, keinen größeren Umzug hinter sich gehabt.
- Zu den mächtigsten Familien hingegen zählten die Luxemburger, Wittelsbacher, Hohenzollern und Habsburger (-Lothringer): Sie hatten, abgesehen von den Wittelsbachern, sich als mobile Geschlechter erwiesen, indem sie nämlich vom alten Zentrum im Westen nach der neuen Peripherie im Osten umgezogen waren: die Luxemburger aus dem alten Lotharingien nach Böhmen, die Habsburger aus Schwaben in die bayrischen Marken, die Hohenzollern aus Schwaben zunächst (1192) ins alte (Main-)Franken, dann in die sächsischen Marken.
(siehe die Pfeile in b.1)
(b.2 bietet eine Zuordnung der Territorien aller 18 neuen Dynastien zu den alten Stammesherzogtümern und Marken.)
Die Häuser der zweiten Kategorie brachten es zu Kaiserwürde und internationaler Bedeutung. - Zu den weniger bedeutenden Familien, die indes auch zu einer internationalen Karriere gelangten, kann man die restlichen sechs rechnen (siehe auch b.2):
- von den Oraniern kamen niederländische Statthalter und Könige von 1572 bzw. 1815 bis 1948, ferner ein englischer König 1689-1702;
- von den Brabantern ein schwedischer König 1720-1751, ein bulgarischer Fürst 1879-1886;
von den Welfen englische Könige 1714-1901;
- von den Wettinern polnische Könige 1697-1763, belgische seit 1831, portugiesische 1837-1910, englische seit 1901, bulgarische Fürsten und Könige 1887-1946;
- von den Oldenburgern dänische und norwegische Könige seit 1448, schwedische bis 1523 sowie 1751-1809, griechische 1863-1973, russische Kaiser 1762-1917;
- von den Askaniern eine russische Kaiserin 1762-1796.
Ferner waren Wittelsbacher schwedische Könige 1654-1720,
Hohenzollern rumänische Fürsten und Könige von 1866 bzw. 1881 bis 1947.
(siehe b.2)